Urheberrechtsreform und „Künstliche Intelligenz“

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Die Auseinandersetzung um die geplante europäische Urheberrechtsreform nimmt kurz vor der finalen Abstimmung im Europäischen Parlament noch einmal an Fahrt auf. Aus meiner Sicht ist ein entscheidender Kritikpunkt, dass die Urheberrechtsreform die Macht der großen digitalen Plattformen stärken und die Abhängigkeit Europas von Google, Facebook und anderen amerikanischen und chinesischen Unternehmen weiter erhöhen wird.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Ulrich Kelber hat in einer Pressemitteilung vom 26.02.2019 diese Gefahr sehr anschaiulich dargestellt. Kleinere Anbieter sind aufgrund der fehlenden Datenmengen und des immensen Programmieraufwands gar nicht in der Lage, eigene Uploadfilter zu entwickeln. Stattdessen werden sie auf Angebote großer IT-Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon zurückgreifen.

„Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft.“

Die in Artikel 13 Absatz 4aa geregelten Ausnahmeregelungen für Start-ups sind so restriktiv, dass sie gar nicht die kritische Größe erreichen können, die für eine eigenständige Entwicklung von Uploadfiltern und anderen Big-Data-Anwendungen nötig ist. Sie werden ausgebremst und in die Abhängigkeit der amerikanischen Plattformen getrieben. Wie sollen unter diesen Umständen europäische Alternativen zu den digitalen Plattformen aus den USA und China entstehen können?

Reto Hilty, Geschäftsführender Direktor des Münchner Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb fragt sich deshalb im Interview mit Heise Online zurecht, welche Auswirkungen die geplante Urheberrechtsreform auf „die Ambitionen der EU, im globalen Wettbewerb rund um die künstliche Intelligenz Schritt halten zu können oder gar eine Führungsrolle einzunehmen,“ haben wird.

Die Debatte um die Urhebrrechtsreform sollte deshalb auch in den Kontext von Timo Daums Artikel „KI – die Künstlichen Idioten des digitalen Kapitalismus“ gestellt werden.

Eine Debatte um Alternativen, jenseits der Verwertungslogik, jenseits verschiedenster Formen der fremdbestimmten Arbeit und jenseits von die persönliche Freiheit bedrohenden Entwicklungen steht auf der Tagesordnung.

Wie soll das in Europa gelingen, wenn hier schon die Entstehung alternativer Webplattformen ausgebremst wird?

Und was ist mit den Urheberrinnen und Urhebern?

Ich denke, dass diese Argumentaton diiejenigen, die für die geplante Urheberrechtsreform eintreten, kaum überzeugen wird Denn ihr Ziel ist es nicht, die Macht von Google, Facebook und anderen großen Internetplattformen einzuschränken, sondern diese dazu zu verpflichten, einen Teil ihrer Einnahmen an Medienindustrie und Verwertungsgesellschaften abzugeben. Aber umso größer die Marktmacht, desto höher die Gewinne und desto mehr Geld gibt es zu verteilen.

Ich befürchte jedoch, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Sicher nicht beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage; da wird es genaus enden wie beim deutschen Leistungsschutzrecht. Durch Artikel 13 werden sich zwar die EInnahmemöglichkeiten von Verwertungsgesellschaften und Medienindustrie verbessern. Gleichzeitig werden aber die Selbstvermarktungsmöglichkeiten junger Kreativer und das Experimentieren mit neuen Vertriebbsformen drastisch eingeschränkt. Alles in allem denke ich – ähnlich wie Leonhard Dobusch –, dass auch die Urheberinnen und Urheber am Ende mehr Nachteile als Vorteile haben werden.

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Kategorien Digitalisierung, Urheberrecht