Was »Deregulierung« bedeutet

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Ein Vorwurf, der Barack Obama gemacht wird, ist der, dass er nur eine emotionale Botschaft, aber keine Inhalte, kein politisches Programm habe. Das ist ein typisches Argument von Journalisten, die selber keine Zeit haben, sich mit den Inhalten zu befassen. Wahrscheinlich sind es die gleichen Journalisten, die seinerzeit – ohne selber den Verfassungsvertrag gelesen zu haben – den Gegnern des Europäischen Verfassungsvertrags vorgeworfen haben, ihnen würde es gar nicht um den Inhalt des Vertrages gehen, sondern um andere Dinge.

Wer Obamas Rede am Sonntag auf dem Jefferson-Jackson Dinner in Virgina gehört hatte, kann nicht mehr sagen, dass er keine Inhalt vertrete. Man mag seine Forderungen für falsch oder unausgegoren halten, aber sie sind sehr klar. Keine Steuererleichterungen für Reiche oder große Unternehmen, sondern für Geringverdiener. Regelmäßige Anpassung des Mindestlohns, wenigstens in Höhe der Inflationsrate. Sicher alles keine revolutionären Ideen, aber zumindest links von dem, was die meisten deutschen Parteien vertreten, wo die SPD gerade wieder Steuergeschenke für die großen Unternehmen durchgesetzt hat.

Auch ein Interview mit Obamas Wirtschaftsberater Austan Goolsbee ist nicht sonderlich spektakulär, obwohl die Bemerkung, dass Investitionen in Bildung und Infrastruktur wichtiger sind als die Reduzierung des Haushaltsdefizits, für deutsche Verhältnisse geradezu revolutionär klingt.

Am Schluss des Interviews bringt Goolsbee das Wesen der neoliberalen Wirtschaftspolitik der letzten Jahre aber wunderschön auf den Punkt:

But I don’t think it helps when you open up trade agreements and see that they’re 2,000 pages long, and they look just like the tax code – that the first three pages are about opening markets, and then the next 1,997 pages are loopholes, giveaways, special protections for individual industries. I mean, that’s getting us pretty far from the case for open markets.

Unter Slogans wie »Freihandel« und »Liberalisierung« wurden nur die individuellen Interessen weniger großer Konzerne geschützt. Und die Vorstellung »Deregulierung« würde weniger Regulierung oder weniger Bürokratie bedeuten, ist eine reine Illusion. Dreißig Jahre Politik der »Deregulierung« hat die Anzahl der rechtlichen Regelungen geradezu explodieren lassen.

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Kategorien Neoliberalismus, USA