Wie Gerüchte funktionieren

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Vor vier Wochen erschien auf den Internetseiten der Tageszeitung Die Welt ein Artikel von Hannes Stein über „Das Märchen von Obama, dem Islamisten“, an dem die Wirkung von Gerüchten sehr deutlich wird: Auch wenn nichts daran wahr ist, bleibt am Ende doch etwas hängen.

Denn obwohl der Artikel klar stellt, dass Obama ein bekennender Christ ist, als Kind in Indonesien keine islamistische Schule besuchte, in der ihm der Hass auf die Juden gepredigt wurde, sondern eine gemischt konfessionelle staatliche Schule usw., tun einige Leser in ihren Kommentaren so, als sei doch etwas an den Gerüchten dran:

WALID meint: 10.01.2008, 18:06 Uhr
ich finde es gut das Obama als Schwarzer sich zur Wahl stellt aber traurig und schade daß er evtl. (wer weiß) dafür seine Religion aufgibt …..damit irgendwelche nichts von Islam versteher ihn wählen!

Dieser Kommentar setzt erst einmal voraus, dass Barack Obama irgendwann einmal gläubiger Muslim war, was allen bekannten Tatsachen widerspricht. Der Artikel selber erwägt am Ende nur, ob er nicht als Kind vom Status her Muslim gewesen sein müsste. Und wenn er Muslim war, umso schlimmer. Denn auf Apostasie steht nach traditioneller islamischer Lehre die Todesstrafe. Und es gibt bis heute Länder, wo ein Muslim sein Leben riskiert, wenn er sich taufen lässt. (Unverbesserlichen Verschwörungstheoretiker bleibt die Ausflucht, dass Barack Obama sich nur zum Schein hat taufen lassen.)

Die zweite Unterstellung in diesem Zitat, dass Barack Obama Christ geworden ist, um eher wählbar zu sein, ist eine wilde Spekulation: „evtl. (wer weiß)“. Da könnte man sich auch ruhig einmal informieren. Barack Obama hat sich zwar erst als Erwachsener taufen lassen, aber lange vor seiner politischen Karriere.

FAKTIST meint: 10.01.2008, 08:31 Uhr
Ob Hussein Obama Moslem ist oder nicht bleibt sein Geheimnis. Allerdings ist sein Lebenslauf schon wichtig für die Entscheidung der Wähler. Auffällig ist aber mal wieder das die deutschen Medien über diese Frage lieber den Mantel des Schweigens hüllen würden. Wie steht Hussein Obama denn nun zum Islam? Die amerikanische Öffentlichkeit wird das sicher wissen wollen. Also raus mit der Sprache.

Wieso Geheimnis? Obama selbst macht daraus kein Geheimnis, sondern bekennt sich in seinen Reden und Büchern als gläubiger Christ. Und auch für die Öffentlichkeit ist es kein Geheimnis: Er ist in der evangelischen Trinity United Church of Christ getauft worden, hat kirchlich geheiratet, tritt auf öffentlichen Versammlungen der United Church of Christ auf usw.

Die Behauptung, dass „die deutschen Medien über diese Frage lieber den Mantel des Schweigens hüllen würden“, würde nur dann zutreffen, wenn die Frage seiner religiösen Zugehörigkeit tatsächlich problematisch wäre. Aber welche Medien schweigen überhaupt darüber? Zumindest nicht die evangelische Nachrichtenagentur idea.

Heute lese ich einen drei Monate alten Blogeintrag von Lawrence Lessig, in dem er begründet, warum er Obama unterstützt. Der erste Kommentar zu diesem Blogeintrag lautet:

Callum, November 14, 2007 4:46 PM:
His children attend Trinity United Church of Christ. Religion has no place in politics, I’m not sure that I believe Obama will keep them separate. Otherwise, he sounds like a great candidate.

So weit zum Märchen von Obama, dem Islamisten.

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