Corona, Datenschutz und der Dunning-Kruger-Effekt

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Jürgen Kuri weist in seiner Wochenschau Was war. Was wird. auf einen Blogbeitrag von Linus Neumann hin, in dem dieser die Behauptung Julian Nida-Rümelins auseinandernimmt, dass Länder wie Taiwan oder Japan deshalb erfolgreicher im Kampf gegen Corona seien, weil sie weniger Wert auf Datenschutz legen.

Zweite unsinnige Behauptung: In Südkorea, Taiwan und Japan gäbe es „ortsbasiertes Contact Tracking“ [sic!] und dieses sei für den Erfolg verantwortlich. „Den Datenschutz“ macht Nida-Rümelin dafür verantwortlich, dass Deutschland keine nachhaltige Strategie im Umgang mit der Pandemie habe.
In dieser Behauptung stecken so viele Fehlannahmen, dass es schwer ist, sie alle einzeln zu widerlegen. Beginnen wir daher mit einfach zu widerlegenden Fakten.
Tatsache ist: Taiwan nutzt gar keine Contact Tracing App, Japan nutzt die gleiche Corona-App wie Deutschland und auch Südkorea kann nicht als Beispiel herhalten.

Julian Nida-Rümelins Auftritt bei Anne Will ist ein schönes Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt. Nida-Rümelin scheint keine Ahnung zu haben, mit welchen Maßnahmen Südkorea, Taiwan und Japan gegen die Corona-Epidemie vorgehen, vertritt sein Vorurteil darüber aber mit solcher Überzeugung, dass ihm niemand widerspricht. Zum Dunning-Kruger-Effekt wird dies, weil Nida-Rümelin sich anscheinend selbst nicht bewusst ist, dass seine Vorstellung über Contact-Tracing in asiatischen Ländern Unsinn ist.

Das Ganze funktioniert nur, weil Sender wie die ARD sich nicht die Mühe machen, Behauptungen ihrer Talk-Show-Gästen einem Faktencheck zu unterziehen. Deshalb setzen sich in solchen Talkrunden diejenigen durch, die ihr Halbwissen mit der größten Überzeugung vertreten, nicht diejenigen, die sich tatsächlich auskennen und deshalb sehr viel vorsichtiger argumentieren.

Ich gebe zu, dass auch ich diese Behauptungen zunächst nicht infrage gestellt habe, weil ich davon ausgegangen bin, dass die Redaktion der Sendung „Anne Will“ ihre Gäste zumindest einem groben Fact– und Sanity-Check unterzöge.

Nida-Rümelin hatte ich schon vorher als jemanden in Erinnerung, der ohne Kenntnisse der Materie mit großer Überzeugungskraft Behauptungen aufstellt, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. Wenn das nicht nur ein subjektiver Eindruck ist, dann ist es erschreckend zu sehen, wie weit er damit gekommen ist.

Linus Neumann verweist auch auf ein ausführliches Interview mit Katharin Tai, die aus erster Hand über die Coronamaßnahmen in Taiwan berichtet. Das Interview dauert zwar anderthalb Stunden, lohnt aber das Zuhören, weil es deutlich macht, wie die asiatischen Länder agieren, worin sie sich untereinander unterscheiden und warum die europäischen Länder im Kampf gegen die Epidemie gescheitert sind.

Das Fazit des Interviews:

1. Mit Disziplin in Fragen der Hygiene, frühen Schließungen und strenger Quarantäne für Einreisende scheint es Taiwan gelungen zu sein, seine Zahlen im kontrollierbaren Bereich zu halten.
2. Nur wenn es wenige Ausbrüche gibt, kann Contact Tracing durchgeführt werden.
3. Deutschland hat diesen Punkt schon lang überschritten.
4. In Fragen des Datenschutzes gib es keine nennenswerten Unterschiede.
5. Quarantäne wird in Taiwan streng überwacht. Um das auch in Deutschland zu fordern, müsste man nachweisen, dass das Brechen von Quarantäne nennenswert für das Infektionsgeschehen verantwortlich wäre. Bei über 30.000 Fällen pro Tag ist das unwahrscheinlich.
6. Nicht durch Datenschutz, sondern durch inkonsequente, halbherzige und deshalb auch viel zu lange Maßnahmen hat es Deutschland versemmelt.

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