Umverteilung

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In der gestrigen Ausgabe der Zeit (2. November 2006, S. 23) setzt sich Klaus-Peter Schmid in einer Kolumne mit dem Untertitel »Sprudelnde Steuern sind kein Argument für Umverteilung« dagegen ein, dass die zusätzlichen Steuereinnahmen für »soziale Wohltaten« verwendet werden.

In einem gewissen Sinne hat Schmid ja recht: Sprudelnde Steuern sind kein Argument für Umverteilung. Nur geschieht eben genau das – allerdings in die entgegengesetzte Richtung: von den Lohnabhängigen zu den Kapitalbesitzern.

Denn was ist es anderes als Umverteilung, wenn die Bundesregierung die Mehrwertsteuer erhöht und im Gegenzug die Unternehmenssteuern senkt? Wer jedoch wie Schmid die Steuerprogression bei der Einkommenssteuer als Umverteilung ansieht, wird das wahrscheinlich nicht verstehen. Allerdings hat er schon das Prinzip der Steuerprogression nicht begriffen. Denn dabei geht es nicht um Umverteilung, sondern allein um den schlichten Gedanken, dass wer mehr zu leisten imstande ist, auch mehr leisten soll.

Seit Jahrzehnten nimmt der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ab und der Anteil der Unternehmensgewinne steigt, wie erst letzte Woche Stephen Roach, Chefvolkswirt bei der US-Investmentbank Morgan Stanley, in seinem Papier “Labour versus Capital” gezeigt hat. Inzwischen beginnen auch einige Ökonomen einzusehen, dass diese Art von Umverteilung die Gefahr eines Investitionsstaus birgt, weil angesichts des hohen Renditeniveaus immer weniger zusätzliche Investitionen noch rentabel erscheinen (vgl. die Kolumne von Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland vom 31.10.2006). Aber anstatt gegenzusteuern, unterstützt der Staat diese Art von Umverteilung von unten nach oben noch mit seiner Steuerpolitik.

Deshalb wäre auch ich schon froh, wenn die schwarz-rote Bundesregierung die zusätzlichen Steuereinnahmen nicht für eine weitere Umverteilung verpulvern würde.

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Kategorien Europa, Umverteilung