Microsoft Office 2007 Beta in der c’t

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Euphorie gibt es nicht nur um die deutsche Fußballnationalmannschaft (oder heißt es jetzt: Fussball™-Nationalmannschaft?). Die aktuelle Ausgabe der c’t enthält eine CD mit der zweiten Beta zu Microsoft Office 2007 und dazu einen Artikel, der in seinem Grundtenor geradezu euphorisch ist. Am köstlichsten sind die in den Artikel eingestreuten fiktiven Anwender-Feedbacks, die bis auf den ersten (der „Selten-Nutzer“) nach dem Muster aufgebaut sind: auf den ersten Blick ungewohnt, aber bei genauerem Hinsehen viel besser als früher.

Ein Office-Power-User:
„Das ist das erste MS-Office seit 97, das ich mir auch privat zulegen werde.“

Ein Streiflicht:
„Als Fan der Sehbehinderten-Auflösung 800 × 600 bin ich überrascht, wie sinnvoll sich die Software auch darunter benutzen lässt – besser als der Vorgänger.“

Der eigentliche Artikel hält sich da kaum zurück. Sein Fazit lautet:

Version 2007 ist unserer Meinung nach die insgesamt größte und gelungenste Innovation in der Geschichte von Microsoft Office. Sie setzt in Sachen Optik, Bedienbarkeit und Funktionalität neue Maßstäbe und lässt andere Office-Pakete – das muss man leider so sagen – mit einem Schlag ziemlich alt aussehen.

Jetzt lese ich bei Golem, dass Computer-Bild sich geweigert hat, die Office-Beta seinem aktuellen Heft beizulegen, weil Microsoft dieses Privileg von einem Vertrag abhängig gemacht hat, der die journalistische Freiheit weitgehend eingeschränkt hätte. Das gibt der Euphorie des c’t-Berichts einen schalen Beigeschmack.

Wenn die c’t-Redaktion nun beteuert, Microsoft habe „keinerlei Versuch unternommen, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen“, wundert mich das bei einem derart positiven Artikel wirklich nicht.

In einem muss man dem c’t-Artikel jedoch recht geben: Gerade die Office-Pakete, die sich in den letzten Jahren darum bemüht haben, MS Office möglichst ähnlich zu werden, sehen „mit einem Schlag ziemlich alt“ aus. Dabei muss man allerdings bedenken, dass das, was bei Microsoft Office jetzt als Innovation gefeiert wird, bei den Konkurrenten unter der Rubrik „gewöhnungsbedürftig“ abgehakt worden wäre. Außerdem zählen zu den Funktionen, die der c’t-Artikel als bahnbrechend neu beschreibt, auch Dinge, die es bei anderen schon seit Jahren gibt. Die Echtzeit-Vorschau z. B. gibt es bei WordPerfect schon seit Version 9. Aber da kaum noch jemand diese anderen Programme kennt, dürfte das nur wenigen auffallen.

Auf jeden Fall stellt sich das zwanghafte Bemühen der OpenOffice.org-Entwickler, Microsoft Office möglichst ähnlich zu werden, nun als absurdes Unterfangen dar. Statt dessen wäre es besser gewesen, die eigenen Stärken auszubauen (die StarOffice immer schon hatte) und mit innovativen Konzepten weiterzuentwickeln. Die Vorstellung, „usability“ sei, was so funktioniert wie in MS Office, ist ein Missverständnis, auch wenn die meisten usability-issues im OpenOffice.org-Bugtracking-System diesem Schema folgen.

Da lobe ich mir doch die Entwickler von KOffice, die für die Entwicklung der nächsten Version extra einen Designwettbewerb ausgerufen haben. Schon die aktuelle Version zeigt, dass man mit einfachem Nachdenken darüber, wo etwas hingehört, weiter kommt, als mit bloßer Imitation. Die Dialoge sind zwar anders aufgebaut als bei der Konkurrenz, aber man findet sich sofort zurecht. Wenn die Entwickler endlich auch grundlegende Funktionen wie Schrift-Kerning, Fußnoten und Tabellensatz in den Griff bekommen, werde ich wohl auf KOffice umsteigen.

Nachtrag

Inzwischen weist Corel selber darauf hin, dass manche der neuen Funktionen von Microsoft Office 2007, die von der „Fachpresse“ als bahnbrechende Neuerungen bejubelt werden, die die Konkurrenz alt aussehen lassen, in WordPerfect Office zum Teil schon seit fast einem Jahrzehnt existieren.

As many as 8 of the top 10 benefits of Microsoft Office 2007 provide capabilities that have already been addressed by Corel WordPerfect Office X3. Some “new” features of Microsoft Office 2007 have even been part of Corel WordPerfect Office for close to a decade!

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