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Andere Länder, andere Sitten. Wie das News-Portal EurActiv berichtet, betätigt sich der slowenische Minister für Wachstum Žiga Turk nicht nur als Blogger, sondern scheint auch eine realistische Vorstellung vom wissenschaftlichen Publikationswesen zu haben.

In einem Kommentar zur letzten Sitzung des EU-Ministerrats in Brüssel schreibt er:

“The bottom line is that in the scientific publishing process there is a decreasing value added by the publishers. The research is funded by the governments or the industry, performed by the researchers, papers are written and reviewed by them for free, only at the very end a publisher comes along that takes over the copyright, publishes the work and sells the journal at great expense to the community that created and edited the content for free.“

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

In Deutschland dagegen wurde gerade eine „Urheberrechtsrefom“ verabschiedet, die die wissenschaftlichen Verlage für diese Ausbeutung kostenlos erbrachter Leistungen noch belohnt.

Im Anschluss an dieses Zitat nimmt Turk die Erklärung des Ministerrats zum wissenschaftlichen Publikationswesen im digitalen Zeitalter auseinander und kommt zu dem Schluss:

In the context of the Lisbon strategy that should be driving Europe towards a knowledge based economy, one should note that the explosion of the internet based technologies in the US have been made possible by the (1) open access to software, (2) open standards and (3) freely available scientific articles on the subject. The cited document brings nothing like that to Europe.

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Kategorien Europa, Open Access

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In seinem Bericht vom Jahreskongress der Initiative D21 geht Stefan Krempl im Heise-Newsticker besonders ausführlich auf die Äußerungen des Staatssekretärs im Bundesinnenministerium Johann Hahlen ein.

Er versicherte pauschal, dass »wir nicht fahrlässig mit den Daten unserer Bürger umgehen. Wir sind da sehr, sehr problembewusst.«

Gerade an dem Problembewusstsein scheint es jedoch zu mangeln. Das zeigen z. B. die Aussagen zur Vorratsdatenspeicherung.

»Es gibt keine Vorratsdatenspeicherung bei Vater Staat«, versuchte der Staatssekretär die Einwände aus Wirtschaft und Gesellschaft abzubügeln. Sicherheitsbehörden dürften nur dann auf die Informationsberge zugreifen, »wenn die im Gesetz sehr eng beschriebenen Voraussetzungen vorliegen«.

Ganz abgesehen davon, dass der deutsche Gesetzentwurf gerade diese »sehr eng beschriebenen Voraussetzungen« weiter fasst als die EU-Richtlinie, zeigt diese Äußerung, dass Hahlen ein grundlegendes Problem gar nicht begriffen hat: Wie will ich den unbefugten Zugriff auf die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gesammelten Daten verhindern?

Ich kann mir kaum vorstellen, dass das gelingen wird. Deshalb werden irgendwelche kriminellen Organisationen wahrscheinlich eher Zugriff auf diese Daten haben als staatliche Ermittlungsbehörden, die sich an Recht und Gesetz halten.

Das einzige Mittel, das dagegen hilft, wäre Datensparsamkeit. Die galt einmal als Grundprinzip des deutschen Datenschutzrechtes, aber das scheinen die politische Verantwortlichen vergessen zu haben.

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Kategorien Datenschutz, Vorratsdatenspeicherung

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Nach langem Gezeter haben sich die Länder der Europäischen Union in der letzten Woche auf dem Gipfel in Lissabon darauf geeinigt, den gescheiterten Europäischen Verfassungsvertrag in leicht veränderter Form als »Reformvertrag« zu unterzeichnen. Natürlich wurde in der Presse darüber ausführlich berichtet, auch wenn nicht alle euphorisch von einem Durchbruch oder gar Sieg für Europa schrieben.

Davon, dass in Lissabon während des Gipfels 200 000 Menschen einem Aufruf der portugiesischen Gewerkschaft CGTP-IN gefolgt waren und für ein »soziales Europa« und gegen das »neoliberale« Vertragswerk demonstrierten, darüber berichtete die Presse kaum.

Thomas Rupp hat dazu im EUobserver einen lesenswerten Kommentar verfasst. Per Google-Suche fand er heraus, dass auf Englisch nur das News-Portal EUbusiness, die ungarische Javno und Aljazeera darüber berichteten, auf französisch Le Monde und die chinesische Nachrichten-Agentur Xinhua, auf deutsch der Schweizer Tagesanzeiger und der österreichische Kurier – keine einzige Zeitung aus Deutschland.

Natürlich muss man davon ausgehen, das nicht alle Nachrichten bei Google News erfasst werden, aber im Vergleich zu den Nachrichten über den EU-Gipfel und die Verabschiedung des »Reformvertrags« ist das Bild eindeutig.

Ein Totschweigen, das Bände spricht – vor allem wenn man es in Beziehung setzt zu dem, was die Presse sonst so schreibt. Der österreichische Standard berichtete lieber von einer Demonstration von 200 bis 300 europhoben Rechtsradikalen in Paris, wozu Rupp bemerkt:

Isn’t the message clear? Only a handful of loonies are fighting against this historical treaty.

Jochen Bittner verfasst in der Zeit einen Kommentar unter dem Titel Gipfel der Stille und muss sich von einem Leser die Frage gefallen lassen, warum man in den Medien nichts über die Demonstration von 200 000 Menschen gegen den Vertrag erfährt.

Die Antwort ist klar: Offensichtlich ist die Stimme von 200 000 friedlichen Demonstranten zu leise, um von der Presse gehört zu werden. Wenn es nicht zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt, ist so eine Demo keinen Bericht wert.

In diesem Fall kommt aber noch dazu, dass die Anliegen dieser Demonstration der Presse nicht in den Kram passen. Denn eine Kritik an dem Vertragswerk, die sich nicht auf die Ressentiments euro- und xenophober Dumpfbacken zurückführen lässt, verlangt danach, sich mit dem Vertrag inhaltlich auseinanderzusetzen. Und die Zeit, mehrere hundert Seiten Vertragstext zu lesen, haben Journalisten einfach nicht.

Rupp schließt seinen Kommentar mit den Worten:

As usual the Heads of States and Governments congratulated themselves after they agreed on the re-labelled EU Constitution.
They boasted that they have managed to get over an institutional crisis, but in fact they just increased the EU’s democratic crisis by completely avoiding the citizens. And obviously you should not count too much on the mainstream media to do anything about it.

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Kategorien Europa, Demokratie

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Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung zwar schon verabschiedet, aber der Widerstand dagegen kommt erst jetzt in Fahrt.

Inzwischen melden auch einige Politiker der großen Koalition zaghaft Zweifel am Sinn dieser Maßnahme an.

Eine ungeklärte Frage ist die, was im Falle des Missbrauchs der Daten geschieht. Wer haftet für die Schäden, die entstehen, wenn die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gespeicherten Daten in falsche Hände geraten?

Ist der Provider verantwortlich, der die Daten nicht ausreichend geschützt hat? Oder übernimmt der Staat die Verantwortung, der die Provider dazu verpflichtet hat, diese Daten zu sammeln und wissen musste, dass das Risiko eines Missbrauchs nicht vollständig ausgeschlossen werden kann? Oder wird in jedem Einzelfall durch einen langwierigen Prozess entschieden, ob der Provider die Daten nicht ausreichend gesichert hat und deshalb die Verantwortung trägt?

Dabei muss man noch nicht einmal an kriminelle Cracker denken, die versuchen, mit illegalen Mitteln in die Datenbestände einzudringen. Es reicht schon, dass durch einen groben Fehler die Daten »aus Versehen« in falsche Hände geraten. Beispiele dafür gibt es genug. Das bekannteste ist wohl die Datenschutzpanne bei der südhessischen Polizei: »Einsatzprotokolle mit den Namen kontrollierter Bürger und weiteren persönlichen Informationen wurden aus Versehen ins Internet gestellt.« (RP-Online vom 16.01.2007) Wer wollte solche Pannen bei den im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung gesammelten Daten ausschließen?

Deshalb gilt beim Datenschutz auch das Prinzip der Datensparsamkeit. Es sollen nur so viele Daten gesammelt sind, wie es unbedingt notwendig ist.

Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob den potentiellen Schäden durch den Missbrauch der Daten wenigstens ein ausreichend großer Nutzen gegenübersteht. Einer Studie des Bundeskriminalamts zufolge kann die Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote »von derzeit 55 % im besten Fall auf 55,006 %« erhöhen (vgl. Heise-Newsticker, Golem.de u. a.). Der potentielle Nutzen dieser Maßnahme steht demnach in keinem Verhältnis zum potentiellen Schaden.

Da sieht es mit der Vorratsdatenspeicherung schon schlecht aus, bevor die verfassungsrechtliche Frage überhaupt berührt ist, ob der Nutzen dieser Maßnahme für die Verbrechensbekämpfung den Eingriff in die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung aufwiegt.

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Kategorien Datenschutz, Vorratsdatenspeicherung

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Letztes Wochenende habe ich in meiner umfangreichen CD-Sammlung gewühlt und eine CD herausgegriffen, die ich mir irgendwann einmal von einem Freund kopiert habe. Davon gibt es nicht viele in meiner Sammlung – auf jeden Fall deutlich weniger als die CDs, die sich als Fehlkäufe erwiesen haben und die ich nie höre.

Auch diese CD habe ich nicht oft gehört, Vielleicht war es ja das schlechte Gewissen, weil mir nicht klar ist, ob diese Kopie noch in den Bereich des Fair Use fällt, also eine erlaubte Privatkopie ist. Wie dem auch sei: Diesmal habe ich sie richtig gehört und eine echte Entdeckung gemacht: dass Charlie Haden nicht nur ein hervorragender Bassist ist, sondern auch einige wunderschöne Stücke komponiert hat.

Denn die CD, Stan Getz »Café Montmartre«, hört mit einer unglaublichen Interpretation von Charlie Hadens “First Song (for Ruth)” auf (für alle, die es nachspielen wollen, gibt es eine Transkription bei JazzItalia). Ich habe dieses Stück seither jeden Abend gehört. Heute habe ich mir die CD dann »legal« erworben und gleich aus Neugier die CD mit Abbey Lincolns Interpretation des First Song noch dazu.

Ehrlich gesagt: Ohne die – aus Sicht der Musikindustrie wohl illegale – Kopie hätte ich diese CD wohl nie entdeckt und nie gekauft … und der Musikindustrie wären sogar Einnahmen entgangen.

Die Verlustrechnungen, die die Musikindustrie immer aufstellt, wenn sie mal wieder über die Zunahme an »Raubkopien« und ihre schlechten Geschäfte lamentiert, kann ich ohnehin nicht verstehen. Wenn sich alle an die Vorstellungen von »Geistigen Eigentum« (ohne Fair Use) halten würden, die die Musikindustrie vertritt, würde die Musikindustrie nicht mehr verkaufen, sondern die Leute weniger (Konserven-)Musik hören.

Als ich Teenie war, habe ich ganze Nächte damit verbracht, Musik aus dem Radio mitzuscheiden. Ich bin regelmäßig in die Stadtbibliohtek gegangen, habe mir Schallplatten ausgeliehen und zu hause auf Cassette aufgenommen, wenn sie mir gefallen haben. Und wenn sie mir besonders gut gefallen haben und es sie in den Plattenläden unser Provinzstadt gab (was nicht sehr oft der Fall war), habe ich sie mir auch gekauft.

Zum Glück musste man damals als Jugendlicher noch nicht damit rechnen, dass irgendwann eine Abmahnung oder Anzeige wegen Urheberrechtsverletzung ins Haus flatterte. Schließlich ließen sich Copyright-Verletzungen damals noch nicht so leicht zurückverfolgen wie heute in Zeiten des Internets. Und ich hätte sicher auch nicht mehr Schallplatten gekauft, wenn das Kopieren und Mitschneiden risikoreicher gewesen wäre und es damals schon Kampagnen wie »Raubkopierer sind Verbrecher« gegeben hätte. Ich hatte einfach nicht mehr Geld für Schallplatten zur Verfügung. Und ich hätte wohl auch kaum eine Schallplatte gekauft, die ich vorher nicht aus anderen Quellen gut genug kannte.

Aber das wird die Musikindustrie wohl nie verstehen. Sie schikaniert ihre zahlenden Kunden mit Kopierschutz, DRM und Rootkits (warum nur gibt es diese unsäglichen »Raubkopierer sind Verbrecher«-Spots noch nicht auf CDs?). Sie beschimpft diejenigen, die sie als Kunden gewinnen will, als Verbrecher (wenn sie sie nicht gleich mit Abmahnungen und Anzeigen überzieht). Und da wundert sie sich, dass ihre Umsätze zurückgehen.

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Kategorien Urheberrecht, Musik