Politik als Machtspiel ohne Sachbezug

Datum

Dieser Tweet und das darin eingebettete Video machen auf ein Grundproblem der politischen Berichterstattung aufmerksam: Es geht nicht um die Sachfragen, sondern allein um Machtspiele.

Politiksprech hat nicht nur eine Wirkung auf das Publikum (auf die meisten außerhalb des Politikbetriebs keine positive), sondern auch auf den Journalismus. Würden mehr Personen so antworten, würden langfristig wahrscheinlich andere Fragen gestellt werden.

Es geht dem Journalisten, der das Interview führt, nicht um die „ernsten Zeiten“ (ein Ausdruck, der so abstrakt ist, dass schon daran klar wird, dass es nicht um Sachfragen geht), sondern nur um das „Hickhack“ zwischen FDP und Grünen. In den beiden Fragen, die er erst auf Nachfrage stellt, geht es dann auch nur um dieses „Hickhack“, nicht um irgendwelche Sachfragen.

Die politische Berichterstattung in der Tagesschau folgt meistens diesem Schema: Bei Koalitionsverhandlungen ist die wichtigste Frage, wer welche Ministerposten bekommt. Diese wird zwar am Anfang von Koalitionsverhandlungen stereotyp mit dem Hinweis beantwortet, dass erst die Sachfragen geklärt werden müssen, aber in den Hauptnachrichtensendungen wird dennoch stur immer zuerst die Personalfrage gestellt. Die Sachfragen kommen erst an zweiter Stelle – und dann auch nur unter dem Gesichtspunkt, wer am meisten durchsetzen kann und wer am stärksten federn lassen muss.

Auch in Gesetzgebungsverfahren und anderen politischen Kompromissen kommt es allein darauf an, wer am meisten federn lassen musste, nicht darauf, ob der Kompromiss auch zweckdienlich ist. Deshalb lohnt es sich als politische Strategie, mit möglichst abstrusen Forderungen in eine politische Auseinandersetzung einzusteigen, weil die Presse dann jeden Kompromiss als „guten Kompromiss“ darstellen wird, auch wenn er in Bezug auf die Sache noch so unsinnig ist.

Am schlimmsten ist es bei der Berichterstattung über die Europäische Union. Hier zählt nur, ob sich die Bundesregierung mit ihren Forderungen durchsetzt. Ob diese Forderungen sinnvoll und der erzielte Kompromiss zweckdienlich sind, ist irrelevant. Die Berichterstattung über EU-Gipfel ähnelt eher der Berichterstattung über Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Die Journalistinnen und Journalisten agieren ungeniert als Tifosi der Bundesregierung, nicht als unabhängige Berichterstatter.

Autor
Kategorien Politik, Medien