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Marcel Winatschek wundert sich, dass die Jugendlichen in Kommentaren zu seinen Artikeln sich weigern, auf Hyperlinks zu klicken, und lieber darauf warten, dass irgendjemand sich erbarmt und einen Screenshot der verlinkten Internetseite zur Verfügung stellt.

Ein Nutzer macht in einem Kommentar zum Artikel darauf aufmerksam, woran es liegt, dass Smartphone-Benutzer mit einem Volumentarif zögern, auf einen Hyperlink zu klicken: »Eine Website verbraucht ›Unmengen‹ an Datenvolumen. Werbung und Datenmüll den niemand braucht oder sehen will.«

Dass das World Wide Web als weltweites Gewebe von Hyperlinks in Gefahr steht, liegt also nicht nur an der Konkurrenz durch geschlossene soziale Netzwerke wie Facebook, sondern auch an vielen »modernen« Websites selbst. Nico Brünjes beschreibt es so :

Denn wenn die möglicherweise hochperformante Website dann live ist, wird sie zugeballert von eine ganzen Phalanx von Trackingskripten, Werbeeinbindungen und Bannerwerbungen, die alle das Erstladerecht für sich beanspruchen und gefühlt von Leuten programmiert werden, die wahlweise keine Ahnung haben oder auf Performance täglich ihre Notdurft verrichten, einfach nur so, weil sie es können.

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Kategorien World Wide Web, Datenschutz

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Ich gestehe, dass ich nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo erst einmal sprachlos war. Umso entsetzter bin ich, wie pietätlos andere die Ereignisse in Frankreich instrumentalisieren.

Besonders wundere ich mich, dass Politiker aus den Reihen von CSU, CDU und SPD nun wieder die Einführung einer verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung fordern, obwohl diese doch spätestens nach dem eindeutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs erledigt zu sein schien. In Frankreich existiert schon seit 2006 die Pflicht zu einer zwölfmonatigen Speicherung von Kommunikationsdaten. Es hat die Anschläge auf Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt nicht verhindert. Die mutmaßlichen Täter standen seit Jahren unter Beobachtung. Wozu braucht es da eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung? Aber solche Argumente stoßen bei diesen Politiker ohnehin auf taube Ohren. Dass sie ihre alte Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung, ausgerechnet jetzt auspacken, zeigt vielmehr: Ob die Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen den Terror wirklich hilft, ist ihnen egal. Der Kampf gegen den Terror ist für sie nur Vorwand. Und die Anschläge in Paris sind nur ein willkommener Anlass. Wahrscheinlich kamen sie für diese Politiker auch einfach nur früher als erhofft.

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Kategorien Politik, Vorratsdatenspeicherung

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Die Bundestagsfraktion der Grünen hat kurz vor Weihnachten die Ergebnisse eines Rechtsgutachtens zum Urheberrechtskapitel im geplanten Handelsabkommen mit Kanada CETA veröffentlicht. Das Fazit: »Durch Ceta wird der reformbedürftige Status quo beim Urheberrecht zementiert.« Es sei deshalb zu befürchten, dass das Abkommen mit Kanada »eine Modernisierung des Urheberrechts vereiteln« könnte. CETA führe im Bereich des Urheberrechts zwar keine neuen Regeln ein, schreibe aber die restriktiven Regelungen fest, die in den 1990er Jahren als erste Reaktion auf die Digitalisierung eingeführt wurden, u. a. das Verbot der Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen (DRM).

Und dabei haben diese restriktiven Regelungen offensichtlich ihr Ziel nicht erreicht. Denn schließlich klagen gerade diejenigen, die sie seinerzeit gefordert haben, nach wie vor über einen unzureichenden Schutz ihres »geistigen Eigentums«. Stattdessen haben die Reformen der letzten zwei Jahrzehnte das Urheberrecht so kompliziert gemacht, dass selbst Juristen nicht mehr durchblicken, wie die Redtube-Affäre im Jahr 2013 sehr anschaulich gezeigt hat.

Diese gescheiterten Regelungen werden aber nicht erst durch CETA, TTIP oder TISA festgeschrieben, sondern bereits in anderen, längst ratifizierten Handelsabkommen. Das Abkommen mit Südkorea z. B. enthält ein umfangreiches und sehr detailliertes Kapitel zum »geistigen Eigentum«. Anders als etwa das Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru verweist es nicht nur auf die entsprechenden Artikel im WIPO-Urheberrechtsvertrag WCT, sondern formuliert z. B. das Verbot von technischen Schutzmaßnahmen in Artikel 10.12 noch einmal neu.

Die für die Europäische Union geplante Reform des Urheberrechts muss also schon jetzt auf Formulierungen in diversen Handelsabkommen Rücksicht nehmen, die sich möglicherweise nur in Details, vielleicht aber auch deutlicher unterscheiden. Julia Reda als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments ist da nicht zu beneiden. Weil die Europäische Union nicht so einfach mehrere internationale Verträge, die sie zum Teil gerade erst ratifiziert hat, ändern oder gar kündigen kann, müssen die neuen Regeln um die bereits bestehenden und in diesen Verträgen fixierten Regelungen herum geschrieben werden.

Damit ist schon jetzt klar: Ein Ziel wird die geplante Urheberrechtsrefom auf keinen Fall erreichen: das Urheberrecht einfacher zu machen.

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Kategorien Europa, Urheberrecht

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Ich habe gerade ein Lob auf 10 Jahre Handwerksreform in der Süddeutschen Zeitung gelesen und mich gefragt, ob ich schon so voreingenommen bin oder ob in dem Artikel nicht tatsächlich alle überprüfbaren Daten, die genannt werden, gegen einen Erfolg der Handwerksreform sprechen und alle »Argumente«, die für einen Erfolg der Reform angeführt werden, auf reinen Mutmaßungen und Vorurteilen beruhen.

Als statistische Daten werden genannt:

  • Die Zahl der Beschäftigten im Handwerk ist um 400 000 gesunken. Der Artikel räumt selbst ein: »Das Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, wurde verfehlt.«
  • Gleichzeitig ist die Zahl der Betriebe um fast 160 000 gestiegen. Zusammen mit der ersten Zahl deutet das darauf hin, dass dieser Anstieg vor allem aus vielen solo-selbständigen Gesellen besteht, die nun die gleiche Arbeit machen wie vorher, nur ohne Sozialversicherung. Da dies ein Hauptargument der Gegner der Handwerks-Reform ist, hätte der Autor des Artikels doch irgendwie begründen müssen, warum das eine positive Entwicklung sein soll.
  • 50 000 dieser neuen »Betriebe« gehören Handwerkern aus Mittel- und Osteuropa. Diese Zahl ist aus meiner Sicht für sich genommen weder positiv noch negativ. Der Verdacht, dass diese mit Dumpingpreisen lokale Handwerksbetriebe aus dem Markt drängen, ist genauso eine Vermutung wie die Behauptung des Autors: »Während sich immer mehr Deutsche zu schade sind, sich im Job die Hände schmutzig zu machen, gibt es viele motivierte Polen, Tschechen und Ungarn, die sich noch fürs Handwerk begeistern.« Für so manchen Handwerksbetrieb, der gute Löhne zahlt und wegen der Billigkonkurrenz Aufträge verliert, dürfte diese Behauptung ziemlich zynisch klingen.

Was der Autor als »Argumente« für den Erfolg der Handwerksreform nennt, sind dagegen reine Mutmaßungen:

  • Die bereits genannte Gegenüberstellung von Deutschen, die sich zu schade sind, sich die Hände schmutzig zu machen, und hoch motivierten Polen, Tschechen und Ungarn ist ein klassisches Vorurteil. Statt der »faulen Griechen« sind es hier die »bequemen Deutschen«.
  • Die Behauptung, die Reform würde »gerade dem Qualitätsverfall … Vorschub« leisten, begründet der Autor mit einem bloßen Axiom: »Wer schlecht arbeitet, den entsorgt der Markt früher oder später von selbst.« Das gehört zwar für so manchen Markt-Apologeten zum Glaubensbekenntnis, ob dem wirklich so ist, wäre aber erst einmal empirisch nachzuweisen.
  • Die anderen Vorurteile, die der Artikel so streut (wie das vom Klempner, der kommt, »wann er lustig ist«), schrauben das Argumentationsniveau noch weiter nach unten.

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Kategorien Neoliberalismus

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Als gestern Angela Merkels Ausspruch »Das Internet ist für uns alle Neuland.« durchs Netz geisterte, dachte ich zuerst: Ach ja, die Arroganz der Digital Natives, da haben sie mal wieder was, woran sie sich aufgeilen können. Typisch Spießer-Netz. Es ist doch etwas Wahres dran: Mag das Internet auch schon mehrere Jahrzehnte alt sein, es verändert sich so schnell, dass es tatsächlich immer wieder Neuland ist. Was hat das Internet von heute (mit Twitter, Facebook etc.) mit dem Internet vor zehn Jahren noch gemeinsam? Wer zum Beispiel kennt heute noch das Usenet oder Gopher?

Aber dann war ich doch neugierig, in welchem Kontext Angela Merkel das Internet als Neuland bezeichnet hat. Und dann kamen mir doch Bedenken. Wenn es ihr wirklich darum ging, die Untätigkeit der Bundesregierung gegenüber Überwachungsprogrammen wie Prism zu rechtfertigen – oder gar um diese Überwachungsprogramme selbst, dann kann ich nur Patrick Beuth zustimmen:

»Das Internet ist für uns alle Neuland«. Das ist eine haarsträubende Rechtfertigung für Überwachungsprogramme wie Prism.
(Zeit Online vom 19. Juni 2013)

Regierungssprecher Steffen Seibert sah sich dann auch genötigt, klarzustellen, worum es der Bundeskanzlerin ging:

Zur Neuland-Diskussion: Worum es der Kanzlerin geht – Das Internet ist rechtspolitisches Neuland, das spüren wir im polit. Handeln täglich.
(Steffen Seibert @RegSprecher, 19 Jun 2013)

Aber stimmt das? Ist das Internet, »dieser überregulierte Tummelplatz für Anwälte und Rechtsverdreher«, tatsächlich rechtspolitisches Neuland? Und kommt die Erkenntnis nicht etwas spät, dass es manchmal Sinn macht, Entwicklungen erst einmal abzuwarten, bevor man sie mit übereilten Schnellschüssen in ein inadäquates rechtliches Korsett steckt?

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, als das World Wide Web wirklich noch Neuland war, da waren unsere Politiker nicht so zimperlich. Da haben sie gleich Nägel mit Köpfen gemacht. Anstatt erst einmal zu untersuchen, wie sich das Nutzerverhalten in der digitalen Welt und der Markt für digitale Güter tatsächlich entwickeln, und zu testen, welche Regelungen sinnvoll sind, um diesen Markt zu regulieren, wurden gleich auf höchster Ebene weitreichende Regelungen zur »Anpassung« des Urheberrechts an die digitale Welt verabschiedet: der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) vom 20. Dezember 1996, der Digital Millennium Copyright Act vom 28. Oktober 1998, die Europäische Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 etc. Diese Verträge und Gesetze enthalten Regelungen mit weitreichender Bedeutung für das Internet wie z. B. das Verbot der Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen. Über den Sinn dieser Regelungen lässt sich immer noch trefflich streiten, nur ändern lassen sie sich auf absehbare Zeit wohl nicht mehr. Denn in der Zwischenzeit wurden sie in unzähligen bilateralen internationalen Verträgen übernommen. Um diese Regelungen zu ändern, müsste man alle diese Verträge entweder ändern oder kündigen. Da ist es erheblich einfacher, das Grundgesetz zu ändern.

Vor zwei Jahrzehnten solche Schnellschüsse zu starten, die uns heute noch das Leben schwer machen, und sich jetzt damit herausreden, dass das Internet noch »Neuland« ist? Ja, klar!

Nachtrag: Amüsant ist auch, wenn diejenigen, die vom Spießer-Netz reden, alle Vorurteile bestätigen und im Internet nur Gefahren und Probleme sehen und keine Chancen und Potentiale. So sind für Johannes Kuhn in der Süddeutschen Zeitung die »entscheidenden Fragen des grenzenlosen Internets«:

Was ist der internationale rechtliche Rahmen für Cyberangriffe? Wie gehen Welt und Internet-Unternehmen mit den unterschiedlichen Auslegungen von freier Rede in einem internationalen Netzwerk um? Und: Was ist der Rahmen für Auslandsgeheimdienst-Zugriffe auf heimische Internet-Knotenpunkte oder Datenbanken von Internet-Unternehmen?

Das mögen die wichtigsten Fragen für diejenigen sein, die durch das Internet einen Kontrollverlust befürchten. Aber für den Rest der Menschheit? Abgesehen davon: Worauf zielen diese Fragen eigentlich ab? Haben Auslandsgeheimdienste jemals die Gesetze anderer Länder respektiert? Oder soll die Bundesrepublik, »befreundeten« ausländischen Geheimdiensten die Übertretung der Gesetze in einem gewissen Rahmen ausdrücklich erlauben? Da hätte ich dann doch Schwierigkeiten, das mit meinem Verständnis von staatlicher Souveränität in Einklang zu bringen.

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Kategorien Datenschutz, Politik