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Wie es aktuell um die Meinungsfreiheit in Sarkozys Frankreich bestellt ist, macht eine Geschichte deutlich, die gestern unter anderem von der Tageszeitung Libération berichtet wurde.

Jérôme Bourreau-Guggenheim, Angestellter des Fernsehsenders TF1 (früher mal öffentlich-rechtlich, inzwischen privat), hat sich am 19. Februar in einer E-Mail (mit seiner privaten E-Mail-Adresse als Absender) an seine Abgeordnete Françoise de Panafieu gewendet, um seine Kritik gegen das geplante Hadopi-Gesetz zu äußern. Frau de Panafieu hat die E-Mail an das Kulturministerium weitegeleitet, und das wiederum an den Chef des Fernsehsenders. Am 16. April wurde Jérôme Bourreau-Guggenheim entlassen –­ »wegen starker Differenzen mit der Strategie« des Senders (« pour divergence forte avec la stratégie »).

Ja, wenn es um den Schutz des »geistigen Eigentums« geht, ist jedes Mittel recht. Aber ganz abgesehen vom Inhalt des Gesetzes: Die Geschichte zeigt, wie wenig die Meinungsfreiheit im Lande von »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit« heute noch wert ist.

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Kategorien Urheberrecht, Politik

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C’était certainement une riche idée de Jean Auroux à l’époque, mais il faut savoir que les lois Auroux ont été rédigées par Martine Aubry. C’est elle qui les a écrites. Ce n’est pas Auroux. C’est Martine Aubry qui était à l’époque le directeur de cabinet de Jean Auroux, qui est devenue Ministre plus tard et qui est la fille de Jacques Delors.
C’est elle qui les a écrites parce que c’est une philosophie – bon, je suis peut-être un peu dur – c’est la philosophie un petit peu de la doctrine sociale de l’église, il y a un peu le côté social-démocrate, plutôt chrétien-démocrate de Mme Aubry qui est très proche de l’église progressiste.

Das war sicher eine gute Idee von Jean Auroux damals. Aber man muss wissen, dass die Auroux-Gesetze von Martine Aubry verfasst worden sind. Sie hat sie geschrieben, nicht Auroux. Martine Aubry war’s, die damals Staatssekretärin bei Jean Auroux war, die später Ministerin wurde und die Tochter von Jacques Delors ist.
Sie hat sie geschrieben. Denn da ist so eine Philosophie – vielleicht bin ich da ein bisschen hart – da ist so eine Philosophie ein bisschen wie die kirchliche Soziallehre. Das ist ein bisschen die sozialdemokratische, eher sogar christdemokratische Position von Martine Aubry, die dem Sozialkatholizismus nahe steht.

An diese Sätze aus einem Interview, das ich 1993 mit einem französischen Gewerkschaftssekretär geführt habe, musste ich denken, als ich heute morgen im Radio hörte, dass die »Traditionslinke« Martine Aubry sich bei der Wahl zur Parteivorsitzenden der französischen Sozialisten gegen die »Reformerin« Ségolène Royal durchgesetzt hat. Es ist schon bezeichnend, dass unsere Mainstream-Medien eine treue Verfechterin der kirchlichen Soziallehre als »Linkstraditionalistin« abstempeln. Vielleicht ist das Erstaunliche aber auch eher, dass die Anhänger der kirchlichen Soziallehre inzwischen dem linken Flügel einer Partei zugeordnet werden, die im politischen Spektrum schon an sich eher links steht.

Ganz abgesehen davon erinnere ich mich noch ganz gut, dass alle meine Gesprächspartner – ob von den Gewerkschaften, den Arbeitgeberverbänden oder aus dem Ministerium, ob links oder rechts – einen riesigen Respekt vor Martine Aubry hatten und wie selbstverständlich davon ausgingen, dass sie die französische Gesetzgebung maßgeblich beeinflusst hat, lange bevor sie Ministerin wurde. Deshalb bin ich der Überzeugung, dass es sich um eine der kompetentesten Persönlichkeiten handelt, die die französische Politik zu bieten hat.

Von Ségolène Royal ist mir nur in Erinnerung, wie sie bei der Fernsehdebatte vor der letzten Präsidentschaftswahl Nicolas Sarkozy an Inkompetenz noch überboten hat – und das will etwas heißen.

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Kategorien Politik

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Ich wundere mich schon die ganze Woche darüber, wie sich nicht nur die SPD-Führung, sondern auch der größte Teil der deutschen Presse gegen den Partei-Ausschluss Wolfgang Clements wendet. Am seltsamsten finde ich, wie viele die aberwitzige Verteidigungsstrategie übernehmen, der Parteiausschluss richte sich gegen die Meinungsvielfalt in der SPD. Da habe ich mich gefragt, was wohl passieren würde, wenn ein SPD-Linker vor eine Landtagswahl öffentlich davon abraten würde, die SPD zu wählen.

Die Anwort darauf und noch viel mehr gibt es in einem schönen Kommentar des Peregrinus auf Allotria Catholica :

Zum Vergleich: schon im April wurde, weil er vor der Landtagswahl in Niedersachsen zur Wahl der Linken aufgerufen hatte, Detlev von Larcher, ehemaliger SPD-Bundesabgeordneter, ehemaliger SPD-Unterbezirksvorsitzender, umgehend aus der SPD ausgeschlossen.
Damals aber protestierte keine der Parteigrößen. Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen. Der mir erkennbare Unterschied ist der, daß Herr von Larcher, der sich nur bei Attac engagiert, nicht bei RWE, keinerlei Haut goût zu bieten hat, sondern sich letztlich, wenn auch reichlich über die Bande gespielt, für das Wohl seiner Partei einsetzen will.
Einen interessanten Vorschlag macht der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Andres, der den Parteiausschluß für eine Abrechnung mit der Agenda 2010 hält: »Aber wenn man das will in der SPD, dann müssen sie auch mich ausschließen, Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier, Ulla Schmidt – also das ganze Kabinett.«
Na, denn man tau!

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Kategorien Politik

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Codex Sinaiticus Blatt 42 verso (Leipzig)
Codex Sinaiticus Blatt 42 verso (Leipzig) – Ende von Jeremiah / Anfang von Klagelieder

Codex Sinaiticus Blatt 42 verso (Leipzig) Wie Golem.de, der Wiener Standard, das Kölner Domradio und andere berichten, werden ab 24. Juli 2008 die ersten Seiten des Codex Sinaiticus unter www.codex-sinaiticus.net im Internet abrufbar sein.

Zu den ersten Seiten, die diese Woche online gehen, gehören die 86 Seiten aus Leipzig sowie 134 Seiten aus dem Besitz der British Library. Diese umfassen neben dem Markus-Evangelium mehrere Teile des alten Testaments, darunter das Buch der Psalmen und das erste Buch der Chronik. Über die Internetseite Codex-Sinaiticus.net können Wissenschaftler und alle Interessierten hochauflösende Fotos der wertvollen Bibelhandschrift abrufen. Neben den Fotos bietet das Webangebot auch eine komplette Abschrift des griechischen Textes inklusive aller Korrekturen. Abschrift und Manuskripte sind zudem miteinander verlinkt, so dass es möglich ist, zwischen den entsprechende Stellen in beiden Versionen hin- und herzuspringen. (Golem.de)

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Kategorien Theologie

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Ich bin heute aus Paris zurückgekommen und habe auf dem Rückflug wie gewohnt Le monde gelesen. Es mag ja ein Vorurteil sein, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Ausgabe dieser Zeitung gelesen zu haben, in dem nicht mindestens ein interessanter Artikel stand, den man in einer deutschen Tageszeitung kaum finden würde.

Diesmal war es ein Artikel von Henri Tincq über die Situation der Christen im Irak. Der Artikel endet mit der Befürchtung, dass die zwei Jahrtausende alte christliche Tradition im Irak demnächst genauso Vergangenheit sein dürfte wie die christliche Tradition im Süden der Türkei. Das dürfte ein bleibendes Ergebnis der Irakpolitik des »wiedergeborenen Christen« George W. Bush sein. Daran sieht man: Die wahren Antichristen geben sich gerne als Christen aus. Dummerweise sind viele christliche Wähler in den USA trotzdem darauf hereingefallen.

In Deutschland hat zwar Giuliana Sgrena schon vor vier Jahren in der Wochenzeitung Die Zeit über Gottes verfolgte Kinder geschrieben, ansonsten wird dieses Thema aber eher verdrängt.

Anlass des Artikels in Le monde war eine Pressekonferenz des französischen Pax Christi, der ein Netzwerk »Für die Pluralität der Kulturen und Religionen« ins Leben gerufen hat. Ein »Aufruf gegen die Verfolgung religiöser Minderheiten im Nahen Osten« hat inzwischen eine ziemlich illustre Schar recht unterschiedlicher französischer Promis unterzeichnet: Jacques Delors, Julia Kristeva, Michel Rocard …

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